Pitchfork am 17. März 2010: „Alex Chilton, the legendary singer, songwriter, and performer who created music with the Box Tops, Big Star, and as a solo artist, died today“ .
Todesursache: Vermutlich Herzinfakt
59 ist ja nun wirklich kein Alter zum Abtreten. Mein Beileid an die Hinterbliebenen und an Chiltons Mitmusikanten von Big Star auch. Ich hatte immer das Gefühl, dass Chiltons Band „Big Star“ ihren Namen viel zu sehr wie ein Klotz am Bein trug, anstatt damit wirklich den großen Sternenhimmel des Erfolgs erklimmen zu können. Zu sehr merkte man Big Star’s größenwahnsinniger Marketingstrategie ihren verzweifelten Erfolgswunsch an: Sich selbst zum Star erheben und die erste Platte „Big Star’s No. 1 Record“ nennen, als würde man sich damit an die Chartspitze quasi selbstprophezeien können. Vielleicht war ihr Glam-Kunst-Rock-Entwurf auch einfach noch zu sehr in den 1960er verhaftet, wollte die Beatles, Memphis-Soul und ambitionierter Bubblegum-Art-Pop zugleich sein (was ihnen sehr beeindruckend gelang), anstatt sich am Westcoast-Mainstream, Outlaw- oder Soft-Rock zu orientieren, wie es Anfang der 1970er vielleicht ratsam gewesen wäre.
Die dritte Big Star – „Sister Lovers“ – ist sowas wie ein Vorläufer von „Tusk“, eine Selbstdemontage auf hohem Niveau, nicht zum Aushalten an die Grenze gehend. Nur hatten Fleetwood Mac wirklich vorher den Erfolg, den sie dann mit „Tusk“ pulverisieren konnten. Dieser Erfolg ist Big Star (und Chilton solo) nie beschieden worden. Selbst in den letzten Jahren, als es immer mal wieder Reunions gab, haben sie nicht den monetären Lorbeer ernten können, den sie eigentlich verdient gehabt hätten. Auch Alex Chilton konnte mit seinen Solo-Arbeiten kaum kommerziellen Erfolg verbuchen.
Meine Lieblingsplatte von Chilton bleibt neben den Big-Star-Sachen „Bachs Bottom“, mit der erschöpftesten Version, die sich von „I’m So Tired“ denken lässt und anderen intensiv-kraftlosen Big-Star-Nachwehen und Coverversionen. Und man kann dabei aufs Ergreifendste hören, wie gut es Chilton vermochte, sowohl aus seiner Stimme als auch aus seinem E-Gitarrenspiel das Kaputte, das Leidenschaftliche und das Instabile gleichermaßen zu extrahieren und nebeneinander stehen zu lassen. Vielleicht war es gerade Chiltons Weigerung, die eigenen Widersprüche auflösen zu wollen, die ihn auch für Punk-sozialisierte Hörer interessant werden ließ. In ihren Reihen fand er in den 1980er Jahren ein zwar überschaubares, aber dafür umso dankbareres Publikum.
Zweimal auf „Bachs Bottom“ besingt Chilton ein Freisein – „Oh Baby, I’m Free“ und „Free Again“ – und man merkt schon in der Titelreihenfolge, dass es vielleicht mit dem ersten Freisein nicht geklappt hat, denn sonst würde er ja seine Freiheit nicht „again“ feiern müssen.
Ich wünsche Alex Chilton, dass der Tod wirklich einer Freiheit gleichkommt.