„Nothing / There’s nothing“, heißt es in der letzten Zeile von Heaven, dem vielleicht letzten großen Song, den die Rolling Stones veröffentlicht haben (keine Angst, sie haben auch danach noch Gutes veröffentlicht, aber das hatte eher nicht mit der Größe von Songs zu tun). „Heaven / Is a place / A place / Where nothing ever happens“ heißt es bei den Talking Heads. Beide Songs tragen Elemente von apathischer Melancholie in sich, was auch gut passt zu der gewünschten oder konstatierten Ereignis- und Widerstandslosigkeit, die in die bildlichen Himmel hineingelesen wird. Nun ist zu diesen zwei Ewigkeitsstücken noch eine Ewigkeitscassette der Discount Heaven House Band dazu gekommen. Sieben kurze Tracks, in die in LoFi-Qualität ein- und wieder ausgeblendet wird, spielen in einem ganz ähnlichen Strom himmlischer Geschichtslosigkeit.
Das Nichts, was hier passiert, passiert in entspannten und trauernden Dynamiken. Gespielt von Freunden in Tijuana, Mexico, für andere Freunde, die nicht mehr leben. Sanft gebettet in die Beats einer Rhythmusbox, die so sonor vor sich hin pluckert, als würde niemand mehr wissen, wer sie dereinst einmal angestellt hat. In unregelmäßigen Abständen wechselt das Groove-Programm, immer die Grundidee belassend, nämlich ein Gefühl ewiger Stase zu bespielen. Nicht der Ewigkeit, wie sie in bestimmten kurzen musikalischen Momenten Gültigkeit hat (wie es einige Motown-Klassiker vermögen), wird hier ein Raum zur Verfügung gestellt, sondern der Ewigkeit, die sich ewig zeigt, ohne von etwas herab gespielt zu sein. Sie ist stattdessen mittendrin, diese Musik, und ich stelle mir einen Ort vor, wo sie tatsächlich ewig im Entstehen ist. Eine Bühne, mehr eine Fläche, ebenerdig von jedem erreichbar, sparsam aber ausreichend belichtet, auf der unablässig gespielt wird, jede Minute und Stunde, jeden Tag, jede Woche, das ganze Jahr, ununterbrochen, viele Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte, Jahrtausende.
Ich würde vielleicht am Abend nach den Tageserledigungen zurück in die Stadt kommen, und fahre kurz vorbei zu dieser Ewigkeitsräumlichkeit, klinke mein Banjo ein –Keyboard, Gitarre, Melodika, Bass sind an diesem Abend schon da – und spiele solange mit, wie ich Lust habe, weich beklopft von der Ewigkeitsbeatbox. Wenn ich gehe, läuft die Musik weiter, andere, denen es vielleicht ähnlich geht wie mir, gesellen sich dazu, hören zu oder spielen selbst, ein ewiges unaufgeregtes Miteinander und Nacheinander, eine ewige Klinke, im Lauf der Zeit von unzähligen Händen gedrückt, über Generationen und Generationen. Der Mensch wird sich weiterentwickeln, zu einem anderen Tier werden, dessen Namen wir noch nicht kennen, so wie sich wiederum ganz andere Tiere weiter entwickeln werden in Richtungen, die sie befähigen, selbst auf die kleine, ebenerdige Bühne zu kommen, zu krabbeln, zu fliegen, ihrerseits Instrumente einzubringen, die das Menschentier weder kennt noch bedienen kann. So wird es weiter gehen mit der Discount Heaven House Band. Immer ein Platz da zum Einklinken, ein bisschen mitspielen, ein bisschen zuhören, wieder gehen, krabbeln, fliegen, wenn man was anderes vor hat, wieder kommen und mitmachen oder zuhören, wenn einem danach ist.
DISCOUNT HEAVEN HOUSE BAND discount heaven house band (goaty tapes/house rules, 2022)