Wie schaffte der Typ das eigentlich? Totalen Superärger im realen Leben, schwerer Säufer, Privatfehden mit seiner Frau Audrey, Superstarstress (im Prinzip ohne Vorbild, an dem er hätte lernen können, damit umzugehen), im Knast wegen Trunkenheit – aber wenn er schwer angeschlagen ein Studio betrat, war er trotzdem bis auf die letzte Stelle hinterm Komma auf den Punkt genau absolut perfekt! Auch wenn er die Idee für „Your Cheatin’ Heart“ einem schwarzen Typen namens Johnny Bragg für 5 Dollar abkaufte (nicht sein einziger Fall von Ideeneinverleibung) – das ficht seine Klasse nicht an. Hank Williams war einer der ersten Popstars (vielleicht war er auch wirklich der erste), der seinen privaten Ärger offensiv in seine Songs trug – ziemlich offen, ziemlich direkt, ohne Umschweife oder groß ausgedachte Symbolik – anstatt sich hinter Geschichten zu verstecken, die von anderen handelten. Das Ich, das Hank Williams einführte, kam dem wirklich Erlebtem sehr nahe. Vielleicht ist es die Einfachheit, die ihn so ausmacht. Seine Musik schreitet geschmeidig voran, nimmt manchmal den in der Countrymusik so beliebten Walzerrhythmus auf, ebenso die Hawaii-Gitarre (aus der dann später die Pedal Steel wurde) und Country-Fiddle; dann ist sie wieder schneller und direkter. Weich und verspielt ist sie in ihrer Reduktion trotzdem, vergleicht man sie mit den Tennessee Three um Johnny Cash, die ein paar Züge später in den Countrybahnhof einfuhren – Hank Williams lebte dann schon nicht mehr. Letztendlich wird der Fluss seiner Musik aber vom Gesang getragen. Ich kenne kaum einen Sänger, der sich so traumhaft sicher durch seine Songs bewegt wie Hank Williams. Ich glaube, er beherrscht in der Beziehung eine Kunst, von der ich nur ahne, dass sie überhaupt existiert. Vielleicht hat sein klarer und direkter Stil deswegen so die Countrymusik geprägt. Vielleicht strahlt er deswegen auch etwas Universelles aus, etwas, das von vielen Popmusiken adaptiert werden konnte. Vielleicht verehren ihn deswegen Leute wie Beck, Dylan, Ryan Adams und Keith Richards. Vielleicht ist es auch seine zwar nur sehr kurze, aber dafür ohne künstlerischen Schwachpunkt glänzende Karriere (gerade mal sechs Jahre von Januar 1947 bis zum 31. Dezember 1952.). Hank Williams stirbt am 1. Januar 1953 in einem Hotel in Knoxville. 29 Jahre alt. Einige Quellen behaupten, er sei auf dem Rücksitz eines weißen Cadillacs gestorben – denn ein Superstarmythos schreibt andere Geschichten als das reale Leben. Als Hank Williams jedoch aus dem Hotelzimmer in den Wagen getragen wird, ist er bereits tot.
HANK WILLIAMS – The Original Singles Collection … Plus