KEIJI HAINO / JIM O’ROURKE / OREN AMBARCHI
imikuzushi
2012
Seit 2009 treffen sich die drei Lärmer Keiji Haino, Jim O’Rourke und Oren Ambarchi immer um die Jahreswende herum im
“SuperDeluxe” in Tokyo, improvisieren zusammen recht Gigantisches und
veröffentlichen Auszüge davon dann ein knappes Jahr später auf aufs
Schönste von Stephen O’Malley coverdesignten Alben. War der Erstling
“Tima Formosa” noch recht elektronikdurchsetzt und wartete bisweilen mit
fiesen Hochtönen auf, bei denen ich leider immer passen muss, wurde
schon der erste Nachfolger, „In A Flash Everything Comes Together As One
There Is No Need For A Subject“ (2011), mehr Impro-Rockbrett als
Impro-Elektro-Jazz, zumal dort auch schon die Protagonisten ihre
Instrumente klassisch aufstellten: Jim O’Rourke am Bass, Oren Ambarchi
an den Drums und Keiji Haino an der E-Gitarre und an den Effekten.
Entdeckt habe ich sie erst mit dem letztjährigen “Imikuzushi”,
als mich dessen erster Track einsaugte in dieses seltsame regelmäßige
Treffen der drei Krachkumpel: Ein ohne Vorwarnung einsetzender und nach
fast 14 Minuten wieder abbrechender Lärmstrom ohne Unterlass, ohne
Anfang, ohne Ende. Jim O’Rourke durchwalkt mit seinem Bass Keiji Heijnos
E-Gitarrenkrater, deren Tonalitäten ungefähr dort erst anfangen, wo
Neil Youngs Skalen sich gerade eben noch weigern, in freien Krach
überzugehen. Die gleiche Analogie lässt sich auch zu Haijno’s Gebrüll
ziehen: Ähnlich in der Stimmanlage wie Neil Young, wenn auch nicht ganz
so hoch, startet Heijno mit kontrollierter Aggressivität, wo Neil Young
längst den letzten Vers hinter sich gelassen hat. Drummer Oren Ambarchi
unterfüttert das Ganze mit einer durchgehenden, nie endenden, rasenden
Drum-Explosion.
Ohne zu wissen, warum, hielt mich der Track (dessen langen Namen ich
mir spare) in seiner schreienden Radikalität so in den Bann, dass ich
erst später die geheimnisvollen Strukturfragmente entdeckt habe, die
sich unter dem 12 minütigen kollektiven Tonschrei verborgen halten. Die
restlichen drei Tracks von “Imikuzushi” zäumen erhabener ein, müssen
keine Gipfel stürmen, sondern können sich auch mal kleine Auszeiten
nehmen. Dann ziehen sie wieder in straighte, gerade so vom Bersten
abgehaltene Rockfundamente aus Bass und Drums, in die Haino meisterhafte
Gitarrenfiguren fräst.
Immer wieder kommt Hainos unheimliche Fähigkeit zum Tragen, mit
Stimme und Tongerätschaften eine Art kalter Mystik heraufzubeschwören,
die sich ihres ritualen Charakters nicht schämt, aber die vollkommen
unesoterisch ist. Ein echter Magier halt, der gleichzeitig seinen
Pschyrembel kennt. Für mich persönlich die Gitarrenentdeckung der
letzten Jahre, obwohl Haino auch schon seit den 1970er Jahren lärmt,
unter anderem mit seiner Band Fushitsusha. Aber eben ohne meine
Kenntnis.