2024-11-05

ROOTS UNDERGROUND erkennbar

ROOTS UNDERGOUND tribesman assault
1977 [wackies]

2003 wvö
[wackies – basic channel]

Gegenüber Brinkmann habe ich mal an anderer Stelle behauptet, ich könnte jede Dub-Version, die ich besitze, zielsicher der Platte zuordnen, auf der sie erschienen ist. Ich habe es nie zugegeben, aber es war gelogen.

Aber „Tribesman Assault“ von Roots Underground würde ich erkennen.

„Tribesman Assault“ basiert auf einem kleinen Sammelsurium jamaikanischer Aufnahmen, entstanden bevor Wackies sein New Yorker Studio aufgebaut hatte – so um 1975/76/77 herum. Dort wurden dann später nach Fertigstellung noch einige Instrumente addiert, unter anderem steuerte auch Jah Scotty noch ein paar frische Drum-Muster hinzu. Wahrscheinlich wurde er direkt nach Ankunft der Maschine aus Jamaika in New York ins Studio verfrachtet, ohne ihm zuvor was zu trinken zu geben. So durstig klingt sein Sound. Der Bass hält dagegen – und ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob das auf den Originalpressungen auch schon so dermaßen präsent klang, oder ob das körperliche, zum Greifen nahe meisterhafte Mastering der Nachpressungen von Moritz von Oswald auf Basic Channel dafür eine Teilverantwortung trägt.

Was ist nun besonders erwähnenswert auf „Tribesman Assault“, neben den Must-Do-Zutaten jeden Dubmixes, nämlich der Erzeugung von Raum und mehr Raum durch Echo und mehr Echo, gefolgt von weniger bis keinem Echo im Zusammenspiel mit dem kunstvollen Jonglieren derjenigen Spuren, die eben gerade nicht zu hören sind? „Tribesman Assault“ addiert einen sehr schönen Leiereffekt, der sich erstaunlicherweise nur auf die Gitarrenspur zu legen pflegt, während Bass und Drum in vollendeter, knarztrockener Reduktion rollen.

Es ist immer ein besonderer Genuss, wenn man wieder einmal Zeuge jener geheimnisvollen Vorgänge wird, die aus einer reduzierenden Dub-Platte (es gibt auch nicht-reduzierende Dub-Platten) mit exakt den Zutaten anderer reduzierenden Dub-Platten eine besonders spannend reduzierende Dub-Platte werden lassen.

Ein schönes spirituelles Bonbon hält „Tribesman Assault“ mit dem letzten Track bereit, wo mit K.C. White und dem Female-Vocal-Trio Love Joys ein einziges Mal Gesang zu hören ist. Und die Überraschung plötzlicher menschlicher Stimmen folgt derjenigen Dramatik, die Dub schon immer ausgezeichnet hat: Ein lange vorenthaltenes Element des ursprünglichen Tracks zieht die ‚Version‘ plötzlich als Effekt nach vorne. Ein Raum biegt sich heraus, den man vorher gar nicht registriert hat. Und dieser neue räumliche Effekt vermittelt plötzlich einen sprachlichen Sinn: „Open the gates to Africa/ Africa we want to go“. In solchen Momenten gehe ich überall hin mit.