Titelüberschrift ist von Gereon Klug geklaut. Ich habe in den 80er Jahren nur unbespielte Kassetten gekauft, um die Platten von Freunden für mich aufzunehmen. Platten, die im Freundeskreis kursierten, wurden nicht doppelt gekauft. Das war keine bewusste Vereinbarung, sondern einfach den Umständen geschuldet. Wir hatten einfach nicht genug Geld. Deswegen waren Kassetten so praktisch. Natürlich wurden auch Mixtapes aufgenommen, oder Mitschnitte aus dem Radio.
Irgendwann lies das nach, die Kassetten wanderten in den Keller, CDs wurden stattdessen gebrannt, dann kamen Download-Portale und Streaming. Ich kaufe immer noch Vinyl und CDs. Streame aber auch oder kaufe mir DLs z.B. auf Bandcamp. Aber dann fehlt mir manchmal das Haptische. Ich kaufe auf Tape fast ausschließlich Neuveröffentlichungen aktueller Musik. Meist über Bandcamp. Alte Kassetten kaufe ich nur dann, wenn ich die Musik noch nicht kenne (wie letztens „Even Cowgirls Get The Blues“ von John Cale). Ein paar Punkte, warum ich seit ungefähr zwei Jahren wieder Freude an Kassetten habe:
- Kassetten bringen mich dazu, ein Album in einem Stück zu hören, weil man nicht so leicht skippen kann
- In der Regel sind Kassetten preiswerter als Vinyl. Auch das Porto kostet weniger
- Ich mag das Gefühl, etwas Konkretes und Haptisches in der Hand zu haben
- Ich mag die Handhabung. Kassetten haben etwas Robustes und Unempfindliches (Gehäuse) und gleichzeitig etwas Zartes und Empfindliches (Tapeband). Sie scheppern auch schön, wenn man sie schüttelt
- Ich mag, dass die meisten Tapes, die ich kaufe, kaum Sammlerwert besitzen. Selbst wenn es eine winzige 20er Auflage sein sollte. Der Fokus liegt auf dem Hören, nicht auf dem sammeln oder der Werteakkumulation. Natürlich gibt es Ausnahmen: Ein Original-Tape von „Turiya Sings“ von Alice Coltrane oder Pussy Galore’s „Exile On Main St.“ hätte ich schon gerne. Aber von diesen Ausnahmen abgesehen, ist das Hören und Kaufen von Kassetten ein angenehm unprätentiöses Vergnügen
- Ich habe bei meinen diversen Kassetten-Bestellungen ausschließlich mit sehr netten Menschen zu tun gehabt. Oft liegen den Päckchen ein paar schöne Aufkleber bei oder jemand schreibt einen netten Gruß
- Ich mag die Historie und den „make your own tapes!“-Approach. Jeder Musiker kann auf bandcamp oder anderswo seine selbst hergestellten Tapes verkaufen
- Ich mag die Irrationalität, die darin liegt, Tapes zu kaufen, also ein Medium zu wählen, das eigentlich technisch überholt worden ist durch praktischere Medien
- Ich mag, dass Kassetten nicht springen, keine Knacker und Plops haben. Etwas was mich an neueren Schallplattenpressungen ungeheuer nervt. Musik mit leisen Passagen kaufe ich daher kaum noch auf Vinyl
- Ich mag die Vorstellung, dass man eine Kassette, die man vor 40 Jahren zuletzt gehört hat, 40 Jahre später an genau der Stelle wieder weiterhören kann, an der man sie einst gestoppt hatte
- Ich mag die leuchtenden Ausschläge der Peaklevel-Anzeige. Besonders wenn die Anzeige vertikal statt horizontal verläuft
Wahrscheinlich fallen mir noch mehr Gründe ein, wenn ich länger drüber nachdenke.