2024-04-20

VAN MORRISON: fenster öffnen

Van Morrison: T.B. Sheets

Der Typ ist total überfordert. Ein Arschloch. Er lässt seine Freundin im Stich, als sie ihn besonders nötig hat. Lässt sie einfach im Stich, weil sie Tuberkuloseschweiß in ihr Laken schwitzt. Er kommt mit der Situation nicht klar. Er hat nichts besseres zu tun, als sich anzuschicken, sich aus dem Staub zu machen, weil er’s nicht aushält. Überdrogt und überfordert. Oder einfach noch zu jung, um damit umzugehen, dass es ausnahmsweise nicht er ist, dem es dreckig geht. Diese Art von Typen, die so nervös sind, dass sie die ersten Worte eines Satzes erst wiederholen müssen, bevor sie den Rest des Satzes zuende sprechen können. Drogen haben seine Sinne hypergeschärft, er riecht das schweißnasse Tuberkuloselaken und erträgt es nicht mehr. Er hat das Gefühl, nicht mehr atmen zu können und muss unbedingt das Fenster öffnen, weil er keine Luft mehr bekommt. Das Zimmer wird kalt und kälter. Aber er riecht immer noch den Tuberkuloseschweiß. Er erfindet irgendwelche Ausreden, um von ihrem Bett verschwinden zu können. Sie sagt nur „Bitte bleib“. Aber er hält’s nicht mehr aus: Ich schick dir später jemanden vorbei. Später, Baby. Ich muss, ich muss, ich muss vorher nochn paar Sachen erledigen. Ich komm wieder mitn paar Freunden und ner Flasche Wein für dich, Baby. Keine Angst, ey, keine Angst, keine Angst. Mach dir keinen Kopf. Ich muss jetzt aber gehen, ich muss gehen, ich MUSS GEHEN, ich muss gehen Baby. I gotta go, gotta go, gotta go, gotta go, gotta go. Er macht das Radio an. „I’LL TURN ON THE RADIO!“ schreit er sie an, er tut so, als würde er es für sie machen. Als er ihr das erklärt, ist er kurz vorm Überschnappen. Aber er schafft es nicht zu gehen, denn sie geht vor ihm. „There you go, there you go, there you go, Baby, there you go“.

Eine böse Geschichte, im Sommer der Liebe – 1967 – von Van Morrison ohne Manierismen oscarreif gesungen. Die Musik ein zehnminütiger, federnder Blues, angesichts des Inhalts, der da verhandelt wird, ein zynisch federnder Blues. Hugh McCracken an der Gitarre, ein Keyboard, ein hallender Sound, als hätte jemand im Studio das Fenster geöffnet… Seit ich den Text kenne, hasse ich es eigentlich.

2 Gedanken zu “VAN MORRISON: fenster öffnen

  1. Treffend beschrieben! Situation als auch Kommentar. Warum sagt das eigentlich keiner? Oder liest das hier niemand? Damn' folks, giv'em a big hand…

  2. Hallo! Danke für den aufbauenden Kommentar. Ich frage mich manchmal auch, wer das liest, aber ein paar sind es dann schon. 🙂

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