Als meine Frau mich heute beiläufig nach meiner Definition von Schrammelmusik fragte, brabbelte ich spontan etwas von „mit dem Plektrum alle Gitarrensaiten rhythmisch in schnellen Ab- und Aufwärtsbewegungen anschlagen, während mit der Griffhand Akkorde gegriffen werden“. Statt Bewunderung für mein enzyklopädisches musikalisches Wissen erntete ich ein Lachen.
Meine Frau hielt mir das „Musiklexikon“ von Mechthild von Schoenebeck, Gunter Reiß und Justus Noll unter die Augen. Dort stand es Schwarz auf Weiß: Schrammel-Musik ist in Wirklichkeit nach den Brüdern Johann und Josef Schrammel benannt! Deren Ensemble „d’Schrammeln“ erlangte im Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts einige Popularität. „d’Schrammeln“ spielten in Weinlokalen volkstümliches Liedgut, Walzer und Märsche. Teilweise wurden die Stücke von Johann Schrammel selbst komponiert. Die typische Besetzung – zwei Violinen, Gitarre, Klarinette oder Akkordeon – wird als Schrammel-Quartett bezeichnet.
Denkt also bitte das nächste Mal daran, wenn sich eine Indie-Band mal wieder einen zahnlosen Wolf spielt. Sie mag vielleicht schrabbeln, sie schrubbt womöglich Akkorde, sie jingled und jangled ideenlos dahin. Aber schrammeln tut sie nicht. Was ich jetzt, ausgestattet mit frischem Wissen um das Wesen von Schrammel-Musik, eigentlich bedaure.
Ich glaube, so verjährt wie die Ursprungsbedeuteung (auch hier in Wien) ist, ist es okay bei den besagten Indie-Bands auch einfach von "Schrammeln" zu sprechen. 🙂
Hallo Wiese, danke für den Kommentar. Da "schrammeln" in der Indie-Welt oft abfällig gemeint ist, ich aber die Schrammelmeister Johann und Josef nicht verunglimpfen möchte, werde ich ab jetzt das Schrammel-Wort nicht mehr auf schrabbelnde Indie-Musik anwenden. Es ist eben auch eine Frage des Respekts. Wobei ich allerdings jetzt auch nicht weiß, ob mir die originäre Wiener Schrammelmusik gefallen würde oder nicht.
🙂