2024-12-05

ANN PEEBLES begreifend formulierend hoffend

ANN PEEBLES I Can’t Stand The Rain
1974 

Ich weiß nicht, wie hoch die Strafe wegen Kulturfrevels ausfallen muss, wenn ein Second-Hand-Händler eine 1974er-LP, auf der vorne „Ann Peebles“ und hinten „Willie Mitchell“ draufsteht, für zwei Euro verscherbelt. Ich kann aber mit Bestimmtheit sagen, dass sie ein neues Heim gefunden hat, wo sie oft gespielt und auch ansonsten mit dem nötigen Respekt behandelt werden wird.

Im durchgängigen Mitteltempo singt sich die Peebles durch die Gefühle. Das allgegenwärtige bassige Brummen, das Mitchells Produktionen umschließt wie Eierschachteln, ist auch hier wieder der geheimnisvolle Kitt, der alle Zutaten magisch zusammenführt. Die Memphis Strings rutschen mehrmals besonders schmelzig und unkitschig (darin liegt die Kunst) drüber. Und neben den Hits – das auch von der 1980er-Tina Turner nicht kaputtgekriegte „I Can’t Stand The Rain“, Peebles Aufforderung an die Jüngelchen endlich erwachsen zu werden („I’m Gonna Tear Your Playhouse Down“) und „A Love Vibration“, das im Refrain die Vibration ohne liebesbetäubte Unterwürfigkeit zelebriert – hat es mir besonders das letzte Stück, „One Way Street“, angetan: Alleine auf der Einbahnstraße, die Situation begreifend, die Lösung formulierend, zu einem präsenten Piano auf die Wahrwerdung hoffend. Wissend es wird ein langer Weg. Und damit die ganze Platte ausfaden lassen. Wen kann denn sowas kalt lassen?