2024-03-29

MIKE WATT in opernstimmung

MIKE WATT
hyphenated-man
2011

Mike Watt, Mann! Sieben Jahre ohne Platte, Mann. Hat sich an seine Taten mit den Minutemen erinnert. Als Songs anderthalb Minuten gingen (wenn’s hoch kommt) und sie’s dem Punk-Publikum gezeigt haben. Ihr wolltet „No rules for Punk“? Ihr bekamt „No rules for Punk“! Nämlich Punk und Hardcore nicht als klischiertes Sparsamstakkord-Geschwindigkleitsgeschrabbel, sondern als vertracktes, schnelles, muskuläres BassBassBassDrums-Gefrickel mit dünner E-Gitarre und Agit-Lyrics aus dem Leben einer Freundesbande. Oder als Folk, als Mainstream-Übung, als Free Jazz. Gesungen wie man spricht, gespielt wie eine Provokation an Punk-Fetischisten. In Flanellhemden und Normalo-Jeans. Klamotten, die nicht nur aussahen wie Trag-ich-immer-Klamotten, sondern die so sehr Trag-ich-immer-Klamotten waren, dass Bühnenbewacher die Minutemen als Fußvolk betrachteten und nicht auf die Bühne zu ihren Instrumenten ließen. Deshalb hing die Band immer schon vorher auf der Bühne ab. Die Schicht muss pünktlich beginnen. Ehrensache.
Das ist 25 Jahre her. Und nun hat sich Watt wieder daran erinnert. An D. Boon und George Hurley, Mann. Und wie gut es tut, zu dritt kurzen, ver-spiel-ten Lärm zu machen. Flanellhemden trägt er immer noch, daran musste er sich nicht mehr groß erinnern. Hat sich dann zwei Typen gesucht, Mann. Tom Watson an der E-Gitarre, Raul Morales an den Drums, Mann. Tony Maimone produzierte den Scheiß, Mann. Jener Maimone Tony, der schon bei den Proto-Post-Prä-suchdirselbstwasaus-Hardcore-FOLK-Gesellen Pere Ubu spielte, der den ein oder anderen Track von Ex-Hardcore-Kollege Bob Mould mit trockenem Sound vergewitterte.
Wieder anderthalb Minuten pro Song, 30 (!) insgesamt. Das Album heißt „Hyphenated-Man“. Der Sänger und Bassist heißt Mike Watt, Mann. Er schneidet die 30 Songs auf Pass aneinander, dass dir Hören und Sehen vergeht. Welcher Songs ist das gerade nochm…, ach ne, ist schon der nächste. Und irgendwie ergibt dann alles zusammen eins, weil in den verwirrenden Hardcore-Puzzle-Teilen die absichernde Orientierung flöten geht. So wie bei den Minutemen halt, Mann. Mike Watt, unser Mann aus Pedro, nennt es eine Oper (remember „No rules for punk“?), die 30 Teile sind seine kleinen „Econo“-Tracks. Econo kommt von ökonomischem Spielen, Mann. Streiche alles Überflüssige, wiederhole nichts, beende schon bevor sich Langeweile zeigt.
Alle Songs enden auf „-man“, Mann. Wer ist noch dabei? Raymond Pettibon, früher SST-Cartoonist, später hochangesehener Künstler, Mann. Hier macht er auch wieder das Cover – wie schon bei den Minutemen, genau. Pettibon lässt keinen fliegenden Hippie im LSD-Rausch mehr in einem sehr, sehr kurzen und wahrscheinlich nur sehr, sehr kurz glücklichen Flug über den Hochhausrand gleiten. Stattdessen schlüpft ein entschlossener Dämon aus einem Ei, den ein Speer durchbohrt, Mann. „ALL WORDS BY MIKE WATT ∙ THANK YOU TO HIERONYMOUS BOSCH”. Es ist gut, jetzt endlich den Jahrzehnte alten Kram der Minutemen nicht mehr hören zu müssen. Es gibt jetzt den „Hyphenated-Man“!

4 Gedanken zu “MIKE WATT in opernstimmung

  1. dein vorschlag, selbst einen blog zu betreiben, hat mich gleichzeitig geschockt und gefreut. geschockt, weil ich an so etwas noch gar nie gedacht habe und mich auch gar nicht in der lage fühle, dir oder anderen schreibern adäquates abzuliefern. von der zeit, die man aufbringen muss ganz zu schweigen. und ich verheddere mich sowieso schon zwischen allem möglichen. gefreut, na klar, das natürlich auch.

    aber jetzt zum thema: von mike watt habe ich nur noch etwas gehört – und live gesehen- als er bei der stooges reunion als bassist aufspielte. ich hatte aber probleme ihn zu erkennen. ganz so ohne holzfäller hemd und mit einem gewöhnungsbedürftigen, aber interessanten, bart. egal. das komische ist eigentlich nur, dass ich kurze zeit bevor du diesen beitrag geschrieben hast, im rahmen einer entrümpelungs- und platz beschaffungsaktion, alle meine firehose cds verkauft habe (die platten aber nicht!). ohne wehmut. und jetzt dies. das mit der nase drauf stoßen. war es ein fehler? nein, wahrscheinlich nicht. firehose war gut, zu seiner zeit, aber nur die minutemen kann ich heute noch hören. auch wenn das im ''widerspruch'' zu deinem statement am schluss steht. apropos schluss: viele grüße, andreas

  2. hallo andreas, warum hast du die kommentare zu watt und garcia/grisman gelöscht? auf blogger.com war zeitweise das kommentieren außer funktion, daher konnte ich nicht anworten. schade.

  3. Hallo Werner,

    ich habe die Kommentare nicht gelöscht. Als ich gestern -oder war es schon vorgestern?- bei ''Dir''vorbeigeschaut habe, habe ich mich gewundert, warum meine Kommentare und auch die Kommentare davorweg waren(bei Garcia/Grisman waren es ja schon acht Stück bevor auch ich noch meinen Dead-Senf dazu gab).

    Ich habe natürlich die Kommentare angeklickt. Da stand dann, dass blogger.com die Beiträge, die zu einer bestimmten Zeit gepostet wurden, entfernt hat und nach Bereinigung eines Fehlers oder was auch immer da bei blogger.com nicht so funktioniert hat, diese dann wieder lesbar seien.

    Das scheint nun aber nicht der Fall zu sein. Schade. Da ich einfach wild drauf los schreibe, habe ich natürlich auch keine Kopie. Bei Watt ging es darum, dass ich im Rahmen einer Platzbeschaffungsmaßnahme gerade unter anderem firehose Cds verkauft habe und kaum, dass man so etwas tut, kommt ein Beitrag und man stellt sich die Frage, ob das die richtige Entscheidung war oder eine die man über kurz oderlang bitter bereut. Bei Dead habe ich viel geschwafelt (Lieblingsplatte und Dead im Rockpalast, damals in den Ardennen), aber eigentlich wollte ich mich nur für Deine Garcia/Grisman Empfehlung herzlich bedanken. Ich kannte das nämlich nicht.

    Viele Grüße

    Andreas

  4. Hallo Andreas,

    ah, ok, ich dachte, du hättest die Kommentare gelöscht. Dabei war es ein Problem auf blogger.com. Ich habe die Kommentare übrigens noch, da sie mir auch per e-mail geschickt werden. Ich stelle sie und die anderen gelöschten Kommentare einfach die Tage wieder rein. Falls jemand was dagegen hat, einfach melden, dann lösche ich die entsprechenden Kommentare wieder. Meine letzten beiden Sätze zu den Minutemen ("Es ist gut, jetzt endlich den Jahrzehnte alten Kram der Minutemen nicht mehr hören zu müssen. Es gibt jetzt den „Hyphenated-Man“!") meinte ich nicht wörtlich. Natürlich kann man die Minuteman immer noch sehr gut hören. Ich tue es seit Kurzem auch wieder mit viel Genuss, nacdem ich jahrelang kein Interesse danach verspürte. Ich schätze es aber auch sehr, dass Mike Watt jetzt ganz bewusst mit "Hyphenated-Man" eine aktuelle Variante dessen anbietet, was er mit den Minuteman entwickelte. Ich glaube sogar, dass diese Aktualisierung helfen kann, die Minutemen-Alben wieder jetzt und heute mit neuen Augen lesen und mit neuen Ohren hören zu lernen. Und dieser Umstand hat mich sehr gefreut.

    Zu meiner Ermutigung an dich, mal einen Blog zu schreiben: Du musst dich vor niemandem verstecken. Deine Kommentare auf Zu-Zeiten bieten allemal genug Qualität für einen eigenen Blog. Es ist gar nicht wichtig, den perfekten Text zu schreiben (den gibt es sowieso nicht, bzw. gibt es ihn in zig Millionen Varianten). Oft reicht schon eine einzige Idee aus, der in einem Satz gesagt werden kann. Manchmal werden aus einem Satz plötzlich zwei, manchmal noch mehr. Manchmal kommt eine Idee pro Tag, manchmal eine in vier Monaten. Manchmal hat man einfach keine Zeit, dann ist sie plötzlich doch da, die Zeit. Es spielt keine Rolle. Falls du keine Lust auf einen eigenen Blog hasst, biete ich dir gerne an, auf Zu-Zeiten was zu schreiben. Ich würde mich freuen. Schreib dann einfach was, wenn du Lust hast. Einfach anmelden auf blogger.com (bzw. google-account), e-mail an mich. Ich schalte dich dann für Zu-Zeiten frei.

    Übrigens: Schön, dass ich dir mit Garcia/Grisman noch was anbieten konnte, was du nicht kennst. Ich bin mittlerweile süchtig danach. Habe jetzt sogar bei ebay eine DVD der beiden für fünf Euro ersteigert. Liegt hier schon auf dem Tisch. Ich höre da die nächsten Tage mal ganz entspannt rein.

    Viele Grüße
    Werner

Kommentare sind geschlossen.