MASTER MUSICIANS OF BUKKAKE totem 3
2011
Sprach ich vorhin vor zwei Tagen von ernstzunehmenden Scherzkeksen, die sich regelmäßig unter dem Namen GRAILS versammeln, könnte man noch mehr Scherze, allerdings der derben Art, unter der Projektbezeichnung Master Musicians Of Bukkake vermuten. Gute Güte, dieser Name! Ich stehe nicht auf solche Wortschoten. Ein schlimmer Herrenwitz, zusammengesetzt aus den durchaus hier musikalisch Einfluss gebenden marokkanischen „Master Musicians of Joujouka“ auf der einen und einer besonders erniedrigenden, asiatischen Pornospielart auf der anderen Seite. So verbaute mir der Name lange Zeit den Zugang zu den Master Musicians Of Bukkake. Ich konnte jedoch nicht anders, als immer wieder eingeschüchtert um sie herum zu schleichen, denn die Eckdaten klangen vielversprechend: Ein Bandprojekt aus dem Umfeld von Earth, SunnO))) und anderen dem Metallgedoome nicht abgeneigten Bands, ergänzt um den ein oder anderen Gast aus dem Kreis der Sun City Girls oder aus der ans Traditionelle angedockten Musikszene Istanbuls. Irgendwann riskierte ich dann doch mal ein Ohr in ihre „Totem“-Albumtrilogie – und siehe da, es gefiel mir. Rurale Klopfpsychedelik durchaus in der Tradition stehend von „Six Things To A Circle“ von den Residents oder „Sense Of The Senseless“ von den Sunburned Hand Of The Man. Aber auch This Heat’s „Fall Of Saigon“ kommt mir in den Sinn, nur dass dessen fiebriger Groove der Kriegführung einer Weltmacht neueren Datums geschuldet ist, während die Master Musicians of Bukkake ihre Rituale einem altertümlichen Sonnengott südamerikanischer Wahl darzubieten scheinen. Die komplett sample-freie „Totem“-Trilogie folgt denn auch mehr dem Weg kultureller Weiterentwicklung anstatt bei In-Die-Steinzeit-Zerbombungen und Kriegstraumata stehen zu bleiben:
Wird auf „Totem 1“ noch vermehrt mittels archaisch-rituellen Klopfens eine wie auch immer erreichte Errungenschaft gefeiert, beschreibt „Totem 2“ manchmal zwischen den perkussiven Prozessen Phasen der Kontemplation: Tiefe e-gitarreske Drones und langezogene Gesänge zeugen von der gedanklichen Verarbeitung des Erreichten – durchaus auch mal in Form von Albträumen. Auf „Totem 3“ schließlich führt die Verarbeitung zu ersten symbiotischen Ergebnissen: Das Instrumentarium erweitert sich, die Musik differenziert sich aus anfänglichen tibetanisch angehauchten Brummchören, Klingeln, Flöten und Trompeten über eine geradezu fröhliche Tanzweise zu vermehrt eingebauten elektrischen Krachflächen. Am Ende steht dann nach zwischenzeitlich etwas ödem Gebetsgemurmel ein Synthesizer-Stück, dessen markantes Motiv nach einer narrativen Verfilmung der Gesamtereignisse durch John Carpenter ruft. Wem das aber alles zu sämig und zäh erscheint, der greife sofort zu jener EP der Meistermusikanten, die sie letztes Jahr für Latitudes (Southern) aufgenommen haben: Zwei Live-Stücke, von denen „Elogia De La Sombra“ von einem unwiderstehlich motorischen NEU!-Beat angetrieben wird, der sich über 16 Minuten in das gleichnamige Gedicht von Jorge Luis Borges hineindreht.