2024-04-26

PETER HAMMILL gepresste zustände

PETER HAMMILL the future now 
1978

Ich tat der Platte kürzlich Unrecht. Ich behauptete, sie wäre ein Zeitprodukt – soweit stimmt es noch – dem die heutige Zeit nicht gut getan hat. Da stimmte es nicht mehr. Warum nicht? Kurz: Sie gewinnt duch ihre Mittel. Sie ist fast Drum-los, es kommt dafür nur kurz eine Beat-Box zum Einsatz, aber Beat-Boxen kommen auch heutzutage gelegentlich zum Einsatz, denn Retro ein nicht unwichtiger Buchstabe im Alphabet der Pop-Musik. Ein wichtiger Buchstabe sogar, ich würde sogar sagen ein Vokal. Und wenn man auf “echte” Drums verzichtet wie auf “The Future Now”, dann verzichtet man auch auf sehr zeitbezogenen Drum-Sounds. Und Drum-Sounds sind immer das erste, was altert. Merke also: Verzichtet man auf Drums, dann steigt die Wahrscheinlichkeit auf relative Zeitlosigkeit der Musik.

Warum noch besteht “Future Now” den Test der Zeit? Nun, Peter Hammill hatte zum Zeitpunkt ihrer Entstehung Solo-Platten nur dann aufgenommen, wenn sie inhaltlich zu persönlich waren, als dass sie unter dem Namen “Van der Graaf Generator” erscheinen konnten. Und auch wenn trotzdem fast immer Van der Graaf Generator”-Leute auf seinen Solo-Platten mitmachten, waren Hammill-Solo-Platten zu dem Zeitpunkt eben extrem individualisierte Äußerungen von Peter Hammill als Einzelperson mit all den Einzelgedanken, Einzelzweifeln und Einzelaggressionen und Einzeleffekten, die nicht in irgendwelche gruppendynamischen Prog-Jams führten.

Sie führten stattdessen eher in Kleinwerke mit kostengünstigen Lösungen: Ein einsames Klavier statt ein Ensemble, eine Stimme statt ein Chor – oder ein Chor aus einer Stimme wie in “Mediaevil”- ein Moment der Stille statt ein Drumbreak, eine billige Synthieuntermalung statt eines Orchesters. Statt eines voll ausgeformten Songs ein Fragment eines Songs, zusammengesetzt aus Fragmenten von Songideen. Und je fragmentarischer die Mittel, desto weniger nagt die Zeit am Ergebnis. Es ist kein Zufall, dass Solo-Platten oft die Stimme in den Vordergund stellen, von Loops oder Effekten beschossen, und was kann im Übrigen an der gepressten Aggression, die Hammills Stimme selbst in zarten Momenten umgibt, veralten? Nichts. Denn sie ist Ausdruck innerer Zustände und das einzige, was sich im Zeitablauf ändert, sind die Bedingungen, die solche Zustände provozieren. Ein aggressiver Schrei bleibt ein aggressiver Schrei, egal ob jetzt, vor 35 Jahren oder vor 5000 Jahren geschrien.