2024-10-15

Zu-Zeiten: Stufe für Stufe mit Dub ins Heute (den Wortwitz mit Dubstep-by-step verkneife ich mir!)

Mit einer kleinen Dub-Reihe (die ich an anderer Stelle schon versprach und an deren Versprechen ich mich dann doch nicht hielt) möchte ich nach und nach elegant in weniger abgestandene Gewässer aktuellerer heißer Scheiße hinübergleiten. Denn es soll wieder etwas heutiger werden auf Zu-Zeiten. Heutiger und dem Scheitern näher. Nicht so abgesicherter und abgefrühstückter Indie-Wave-Proto-Punk-Rock-Kram wie 30 Jahre alte Platten von Pere Ubu oder Wire. Die Texte der letzten Monate waren sowieso nur Remixe aus jenen Beiträgen, die ich innerhalb eines Jahres für das Tell-Us-Why-Projekt des Intro-Forums verfasst habe. Mit einem ebensolchem Remix möchte ich dieses Kapitel aber fürs erste abschließen und gleichzeitig nach vorne blicken. Rückfälle sind jedoch nicht ausgeschlossen.


Los geht’s mit geburtskanaldumpfen Dub-Signalen, die Mitte der 90er Jahre das WordSound-Label aus Brooklyn aussendete. Absender: Crooklyn Dub Consortium. Inhalt der Sendung: Certified Dope Vol. 1. Manch einer mag die Zeitlupen-Loops der WordSound-Bagage damals unter TripHop subsummiert haben, ich glaube indes, dass es purer Zufall ist, dass dieser Mutterkuchen aus feuchten Konglomeraten urbaner Staubablagerungen gerade zu TripHop-Hoch-Zeiten von der Gebärmutter des Brooklyner Hip-Hop-Untergrunds abgestoßen wurde.

Schlüsselreize im Überblick: „Second Hand Science“ von WE basiert passenderweise auf einer Bassline, die von der Goldstandard-Dub-Platte „Scientist Wins The World Cup“ gesamplet ist, ins fast unkenntliche slow-gelooped. Später erscheint noch einmal ein Stimmfetzen aus „World Cup“: „Love is confidental/ is love/ is universal/ is love/ is international love“. Kann sich jemand vorstellen, wie Walgesänge diesen Track noch weiter nach unten drücken, zu einem Tauchgang in kalte Meere hinab? Nein? Zu uncool? So ist es aber. Später (oder war es früher? Wer kann schon genau sagen, was zuerst da war …) tauchen wir wieder auf und finden uns in einer riesigen Halle wieder (ich merke erst jetzt, dass Hallen deswegen Hallen heißen, weil’s da so hallt!). Ich glaube, unverständliche, blechernde Lautsprecherdurchsagen zu hören – befinden wir uns in der Atombombenzusammenbauhalle von Dr. No aus dem ersten Bond-Film? Diese Durchsagen klingen jedenfalls tatsächlich wie pure Musik!

Trotzdem muss jede Atombombenzusammenbauhalle am Ende eines Bond-Films zerstört werden. Wir treten aus dem Schutt heraus und werden zwar nicht mit Dr. No bekanntgemacht, dafür aber mit Dr. Israel. Freundlich sagen wir „Guten Tag“, aber der Doktor sagt nur “Saidisyabruklinmon“, auf unsere fragenden Blicke hin fügt er hinzu: „Nobwoycyantess“. Es klingt nach einem schrecklichen Tod, denn Cyansäure lässt einen bei vollem Bewusstsein ersticken. Wir lehnen daher die Einnahme dankend ab und verleiben uns ein ungleich bleiernderes Gift ein, das da heißt „THC 718“. Immerhin lässt es uns am Leben, auch wenn sich die Atemfreqenz für Humanoiden irgendwie widernatürlich anfühlt. Am Ende sind wir zerschlissen, abgekämpft, unterversorgt und downgebeatet und werden – endlich! – mit der donnernden Stimme von Prince Far I dubwise ge-„cRoOkEd“. Damit beschließt das Crooklyner Dub-Konsortium die Tagung (eher die Nachtung). Es war ein voller Erfolg.

Die Einzelalben der Leute, die diesen Klops genial und finster zusammengekrankt haben, fand ich im Vergleich dazu immer etwas enttäuschend. Aber ich wage aus meiner Kenntnis von ungefähr einem halben Dutzend Compilations aus dem WordSound-Dunstkreis zu behaupten, dass zumindest die Zusammenstellungen alle sehr lohnend sind. „Crooklyn Dub Consortium, Certified Dope Vol.1“ scheint mir allerdings von all den feinstaubbedeckten Crooklyn-Zusammenkünften die feinstaubbedeckteste zu sein. Also kommense rein und haltense besser den Atem an!

P.S: An einer Stelle höre ich immer: „Roots control – this is Niki Lauda!“. Aber das kann unmöglich stimmen.

Nächstes Mal: Digitales Rauschen von Rhythm & Sound. Danach sind wir im Heute angelangt und unterhalten uns ein wenig über Dubstep und Jahtari (die ohne Dubstep steppen und dubben).